Montag, 27. Januar 2014

GEYSIR: URWORTE

Das 2. Werk der deutsch-niederländischen Formation um den Geiger Frank Brempel, das etwas umfassender ausgefallen ist als das Debut GEYSIR; es gibt etwa 10 Minuten mehr Kunst auf die Ohren. Dieses Mal ist der Dichterfürst Deutschlands der Texter, die "Urworte orphisch" von J.W.Goethe, prologisch einige Verse aus Shelley's "Frankenstein" vorangestellt. Damit ist dem literaturaffinen Proggy schon mal eine Herausforderung gestellt, um seine Interpretationstalente zu fördern. Der Rezensent wird sich diesbezüglich zurückhalten, da -- nunja, Literatur schon, aber Interpretation von Hochliteratur, da kann er sich nur vergaloppieren.
Der "PROLOG" beginnt also, mit Percussionsgeklapper, Rollgeräusche, ohne erkennbare Struktur, aus dem "off". "The creation of the world..." spricht eine männliche Stimme aus der gleichen Richtung. Dann bricht's los, donnerndes, schweres Schlagzeug, ein Riff von Geige und Gitarre, bricht abrupt ab, wieder percussives Geklapper, wildes Gitarrensolo; damit sind wir schon bei -
Titel Nr.2  "DÄMON", ein Hardrocker mit absteigendem Gitarrenriff, perlender Pianobegleitung, Break und Gitarrensolo. Der Text wird gesanglich von Jenny Thiele getragen mit angenehmem, aber nicht süßlichem Sopran, der sich gut in das harte Geriffe einbettet. Zumal sie den 2.Teil des Textes mit reduziertem Instrumentarium als Begleitung vortragen kann. Zum Ende hin wird wieder gerifft, Ausklang, nächstes Urwort,bitte:
 Ganz piano klingt die Geige, der Bass tropft wie Regen, die Gitarre ruhig, die Becken rauschen, das Piano perlt, die Simme erhebt sich , wie  "DAS ZUFÄLLIGE" - so dieser Titel. Schön finde ich den weichen Klang der Geige -  bis die Flamme, die entzündet. Dann bricht sich das Licht - die Stimme - seine Bahn, umkreist das All und ...erlischt.
Aus dem Dunkel erklingt ein Pianomotiv, die Geige setzt ein, die "LIEBE" bleibt nicht aus. Chansonhaftes kommt nun zum Gehör, Fr. Thiele ist sehr gut zu verstehen, die Instrumente begleiten songdienlich, wie man das so nennt in der Branche.
Nun wird's heftiger und aggressiv, es kommt zur "NÖTIGUNG", nicht schön, aber gänsehautfördernd, die verfremdete Gitarre mit ihrem angeschrägten Motiv, auch die nachfolgenden Instrumente scheinen harmonikalisch neben der Spur zu laufen. Der Text wird gesprochen, geht fast im lärmenden Gerocke unter.
 Ein Bassoutro leitet über in die aufkeimende "HOFFNUNG". Das Schlagzeug marschiert, die Violine schraubt sich nach oben, die Stimme entriegelt die Pforte. Break.Stille. Ein Vers, wieder wird marschiert, die Stimme folgt der Geige auf ihrem Flug...hinter uns...
 "EPILOG" - aus der Ferne Töne, Gerolle weit weg ...dann bricht sie wieder los, die wilde Fahrt, mit schwerem Gitarrenriff-metallisch, Drums aus dem Stahlwerk, die Violine losgelassen, von ganz oben nach unten und in wilden Doppelgriffen wieder nach oben. Ausklang - Drumschläge.
 Fazit: Wie schon an anderer Stelle hier erwähnt,  funktioniert Deutschsing und Rock bestens, wenn kompetente Menschen sich darum bemühen. Und Kompetenz stellen Frank Brempel und seine Band hiermit nachdrücklichst unter Beweis. Es wird virtuos gerockt, soliert - gerne mehr davon! - und gesungen. Die Aufnahme ist bestens produziert und hält aus meiner Sicht jeglichem Vergleich stand. Gerne mehr beim nächsten Mal.
In Gänze anhören kann man sich das Werk hier:http://geysir.bandcamp.com/album/urworte

PS: In die Progschublade kann der Archivar dieses Werk stecken, wenn er es als Ganzes hört und die einzelnen Abschnitte als solche ignoriert. In die Hardrockkiste kann der Rocker dies stecken, wenn er die einzelnen Stücke als solche favorisiert. Vom Höreindruck bevorzuge ich die Hardrockvariante mit proggigem
Einschlag.

http://www.heyblaurecords.com/geysir.php
http://geysir.bandcamp.com/album/urworte

 Die Band:
 Frank Brempel                            vio,comp
 Jenny Thiele                                voc,p
 Thomas Mühlhoff                        g
 Immanuel Schulte-Ontrop            b
 Benni Koch                                dr


1.Prolog3:25
2.Dämon4:13
3.Das Zufällige7:03
4.Liebe4:01
5.Nötigung2:27
6.Hoffnung2:37
7.Epilog2:56

http://babyblaue-seiten.de/index.php?albumId=12147&content=review

Sonntag, 19. Januar 2014

GEYSIR : GEYSIR (EP)

Elektrifizierte Geige ist nun im (Prog-) Rock nix Neues mehr. Eddie Jobson,  David Cross (Ex-KC), die Bands EAST OF EDEN,  CURVED AIR mit Darryl Wolf - mein Favorit auch und gerade mit seinem WOLF-Projekt - seien hier nur stellvertretend genannt. Sie öffneten den Rock für dieses Instrument. Jerry Goodman im MAHAVISHNU ORCHESTRA kann nicht vergessen werden, obwohl hier eher der Jazz das Fundament war.
Nun (2010) tritt eine Grenzgängerband aus dem Grenzland BRD/NL in die Szene mit dieser knapp 19minütigen EP und offeriert eine Spielart des Rock, den ich als sehr "art"ig bezeichnen will. Es wird Kunst geboten in Text und Musik. Von Künstlern -  für Künstler(?). Der Anspruch ist hoch.
Der erste Titel "WORTLOS" beginnt mit einem wie von oben einfallenden schleifenden Geigenton. Uniten angekommen setzt ein Synthie-Bassmotiv den rhythmisch-groovenden Grund, die Drums steigen mit ein, wie auch immer getunte Gitarre - oder ist das auch Violine? - sorgen mit der Geige für das Ambiente, das die nun einsetzende Sopranstimme nach vorne trägt. Die Worte kommen klar und verständlich. Wenn wortlos, dann fügt sich die Stimme in das Geschehen geschmeidig ein. Pianist- und Sängerin Jenny Thiele ist für diesen Text und auch den des folgenden Stückes REFLEXION verantwortlich.
Ab Minute 5:00 drückt die Gitarre - Thomas Mühlhoff - aus, was noch zu sagen bleibt...
REFLEXION beginnt mit einfachen Pianotönen, die Spannung steigernden Instrumenteneinstiegen bis die Musik ausbricht in einen bedrohlichen Höhepunkt, der wiederum zurückfällt und ausklingt um wieder zu explodieren. Ausklang in piano.
Dann tritt textlich ein Bekannter die Bühne: Erich Frieds Gedicht "Gründe" bildet die Grund(!)lage des Titels GRÜNDE, das in ein Zwiegespräch mündet, an dessen Ende keine/r der/m anderen mehr zuhört. Etwas kurz geraten, man wäre dem gerne noch länger gefolgt. Die Geige trägt den Hauptteil der instrumentalen Begleitung, indem sie das immer gleiche Motiv wiederholt. Eine Metapher unserer Art von Kommunikation?.Die Musik dient dem Text wie ein Katalysator.
GROSSSTADT ist ebenfalls ein Ausschnitt eines größeren Ganzen. Beziehungsweise hat man die erste Strophe des Originals weggelassen (warum eigentlich?). Kurt Tucholsky beschreibt darin im Gang des Menschen durch eine (Groß-)stadt.dessen Verlorenheit. Die Musik findet ihren Ausdruck in spannungsreichen Passagen, angeführt von der Geige Frank Brempels, sehr variabel und expressiv begleitet vom Rest der Band. Genial vorgetragen ist der Text wie in den vorangegangenen Stücken von Sängerin Jenny Thiele.Hier findet der Proggy Breaks, harmonische Wendungen, Soli von Gitarre und Violine.Geschickt spielt man mit den Möglichkeiten des Dynamischen in Tempo wie in der Lautstärke.

Was bleibt als Resumé dieses Debuts? NewArtrock kombiniert mit Alternativeeinfluß - würde ich mal sagen. Das Ganze frisch und lebendig mit Tiefgang präsentiert.Keine leichte Kost zum Nebenbeihören. Es fordert ein Auseinendersetzen.
 Ein ganz starkes Teil! Man darf gespannt sein auf Weiteres.

Die Band::
 Frank Brempel                 v, comp
Jenny Thiele                      voc, p
Thomas Mühlhoff.             g
I. Schulte-Ontrop              b
Benni Koch                      dr

http://www.geysirband.de/

1.Wortlos5.24
2.Reflexion4.40
3.Gründe3.01
4.Großstadt5.19

http://babyblaue-seiten.de/index.php?content=review&albumId=11334

Freitag, 17. Januar 2014

TRAUMHAUS: DAS GEHEIMNIS

Noch während des  dritten Hördurchgangs gingen beim Rezensenten die Alarmglocken an: VORSICHT! - SUCHTGEFAHR!! Was  ich nun nicht wirklich erwartet hätte. Eine deutsche Progband - eine solche Hingabe, deutsche Texte -  ohne Schwulst und dennoch geheimnisvoll (s.Titel), eine Musik, die nicht wirklich "fortschrittlich", sondern nach Retro und dennoch  ganz im "Hier und Jetzt" klingt. Das kann erst 2012/3 entstanden sein. Die Zeit ist reif dafür.-
Alexander Weyland (kb,voc) hat ganze Arbeit geleistet. Komponiert, aufgenommen, gemixt und gemastert, "nebenbei" noch die Keyboards gedrückt und gesungen. Und das mit gänsehauterzeugenden Timbre in seiner Stimme. In Verbindung mit den wirklich sinnigen Texten erzeugt er einen  Sog, der einem in ein graues - kein krauses! -  "Wohlweh" zu ziehen scheint. Wäre da nicht Tobias Hampl (g) mit seinem klug gesetzten Metalgeriffe, der z.B. in "FREI" den Abstand zum Boden nicht allzu groß werden lässt. Übrigens der einzige Titel, der von allen Bandmitgliedern geschrieben wurde.
Das ganze Werk beginnt mit dem zweigeteilten Titelstück "DAS GEHEIMNIS", das mit seinen Teilen den Rest einrahmt. Teil 1 beginnt mit Keyboardflächen, die an Jon Anderson's Debut "OLIAS..." erinnern, bevor ein KC-Bass zusammen mit knalligen Drums, E-Gitarrenmotiv und Mellotron das Geschehen ins Heute katapultiert. KC bleibt als Inspiration irgendwo in der Ferne wahrnehmbar ohne Plagiatsverdacht; im Gegenteil, Weyland's Stimme und der Text sorgen mit dafür, dass es TRAUMHAUS bleibt. Nach viereinhalb Minuten ist das Tor zum Geheimnis geöffnet.
 Es geht weiter mit dem "VERMÄCHTNIS". Ein Monstertrack von fast einer halben Stunde Länge (27:26), der keine Längen aufweist. Es begegnen dem Hörer Anklänge von Retroprog N.Morse'schem Geistes (SPOCK'S BEARD), DT schauen auch vorbei, auch '70er-Anleihen gibt es. Es franst nichts aus, klingt kompakt, alles erwächst ganz harmonisch - eines aus dem andern. Ein Solo Tobias Hampls muss genau dahin (11:27) und mit genau dieser ruhigen Stimmung nach dem Synthiesolo. Und dort erinnern sie wiederum an RPWL, die es auch auf ihrem letzten Werk "BEYOND..." schafften, faszinierende Synthese von Melodie,Harmonie und rocktypischer Härte zu kreieren. Für mich sind TRAUMHAUS hier auf Augenhöhe mit RPWL -  mindestens.
 Nach etwas abruptem Ende geh's dahin, "WOHIN DER WIND WEHT": ein Pianointro stimmt auf ein balladeskes Stück ein mit der Aufforderung, nicht aufzugeben, wie auch immer die Winde wehen. Ein sehr schönes Gitarrensolo gegen Ende ragt aus einem Instrumentalteil besonders hervor.
Dann beginnt mit "FREI" SIEGES EVEN - ääähhhh neeee...Moment - noch sind wir bei TRAUMHAUS---dochdochdoch, das ist Alex Weyland, der da singt,oder? Mit diesem Stück  zieht die ganze Band den Hut - vermutlich - vor den deutschen Progmetallern, die leider Geschichte sind.Es wird hart gerifft, dieses mit Mellotronflächen unterlegt und wir bekommen eine Kurzfassung des Menschen in seiner freien(?)Entwicklung aus Weyxlandscher Sicht geboten. Intressanter Text, aber nicht nur dieser regt zum (Nach-)denken an.
Dann beginnt der 2.Teil von "DAS GEHEIMNIS" mit dem gleichen Keyboardintro wie Teil 1, allerdiungs begleitet mit dunklen Drumschlägen. Wo im Teil1 noch die Keyboards die Bosse waren ist's nun die Gitarre und die Keys sind mehr im Unter/Hintergrund. Es werden Themen aus Teil1 variiert und neue hinzugefügt. Es hat eine Spur von Morse'scher Schule, was mir begegnet ohne dass der Hörer zu sagen vermag "Da hammse geklaut!" Der Akustikteil von P.1 fehlt hier völlig. Oder hab' ich was überhört? Dafür gibt's schöne Gitarrensoli und Keyboardmelodeien zum Verlieben (Schlussteil nach dem Refrain!).
Eine saubere Produktion, wie aus dem Booklet hervorgeht, unter eigener Regie(A.Weyland!), eine hervorragende Band - oohh, ich vergaß: der Drummer auf dieser Aufnahme ist kein Geringerer als SPOCK'S BEARD's Jimmy Keegan. Er hatte sich bereit erklärt, der Band aus einer Drummerklemme zu helfen. Wie man hört, fällt der Ozean zwischen den Musikern garnicht auf. Was wiederum für die hervorragende Arbeit der Crew spricht.
Text und Musik gehen hier eine hervorragende Symbiose ein, wie man sie sich nur wünschen kann. Beide Elemente unterstützen sich in harmonischer Weise.So ist deutscher (Prog-)Rock sehr gut zu genießen.

Joachim Ernst Behrendt bezeichnete in einem Vortrag Musik als Verpackung von Stille.Wie komme ich gerade nach diesem Werk darauf? Der jetzt Neugierige möge sich auf den Weg machen...

PS: die Suchtgefahr ist keine Gefahr mehr, sondern "nur" noch....

Die Band:
Alexander Weyland                        keyboards,vocals,comp.
Tobias Hampl                                 g
Sebastian Klein                               basses.
Stefan Hopf                                    add. drum loops
Gast: Jimmy Keegan                       dr

http://www.traumhaus-music.de/

1.Das Geheimnis Teil 14:29
2.Das Vermächtnis27:26
3.Wohin der Wind Dich trägt6:30
4.Frei5:36
5.Das Geheimnis Teil 213:25

Mittwoch, 1. Januar 2014

TRAUMHAUS: DIE ANDERE SEITE

Es gibt sie also, die deutschsprachige Progszene. Nach TRAUMPFAD aus Bayern findet der interessierte Proggie auch im nördlichen Rheinland-Pfalz mit TRAUMHAUS eine Band, die die deutsche Sprache mit Progrock zu verbinden sucht. Progressiv im Sinne von Fortschritt ist das Material, das zu hören ist, sicherlich nicht. Aber - man blickt zurück in die 70er und mixt aweng Metal (Gitarre!) hinzu und schon hat man einen zeitgemäßen und nicht allzu sehr rückwärtsgerichteten Sound, der durch beweglich akzentuiertes Drumming unterstützt wird. Die poetischen Texte bewegen Menschliches in der Schnittmenge von Philosophie und Psychologie. Dem Zuhörer wird nix an Botschaft(en) oder Ideologie aufgedrückt. Er/sie kann sich mit dem Text auseinander setzen -  oder auch nicht. Interpretationen bleiben frei und offen. Vorgetragen mit einer ruhigen Stimme gewinnen sie durch Alexander Weyland, der auch die Keys- zuvorderst das Mellotron -  bedient und für die komplexen Kompositionen zuständig zu sein scheint (das Booklet gibt an Infos diesbezüglich nicht so viel her).
 Jener ist auch in der Szene als federführend beim Peter-Gabriel-Tribute-Projekt  SECRET WORLD inzwischen anerkannt. Ebenso an diesem Projekt beteiligt ist TRAUMHAUS-Gitarrist Tobias Hampl, der mit seinen metalischen Einwürfen,Riffs und Soli dafür sorgt, dass das Retroprinzip nicht allzu sehr die Oberhand im Haus gewinnt. Auch Drunmmer Hans-Jörg Schmitz  (King of Agogik) sorgt mit sehr variablem Spiel für Leben im Klanggeschehen. Bassist Jordan H. Gazall vervollständigt die Band für diese Aufnahme.
Wie ein roter Faden zieht sich "Die andere Seite" durch das ganze Album. In 3 Parts gliedert sich dieses Thema musikalisch wie textlich variiert durch die ganze CD und hält das Werk so zusammen.
Hiermit präsentiert eine deutsche Band mit eigener Identiität eine Spielart des Progressiverock wie es der Szene nur guttun kann. Es bleibt zu wünschen, dass sich die Band auch einem breiteren Publikum zeigen kann. Das nächste NOTP-Festival auf der Loreley 2014 wäre eine solche Möglichkeit. Die Zeit scheint reif für TRAUMHAUS.

Die Band:
Alexander Weyland             Keyboards,Gesang
Tobias Hampl                      Gitarre
Hans-Jörg Schmitz               Drums,Percussion
Jordan H.Gazall                   Bass

http://www.traumhaus-music.de/
https://www.youtube.com/watch?v=Bhq1RtnPFOU (aktuelle Besetzung)


1.Die andere Seite (Part 1)10.17
2.Hinaus10.07
3.Kein Zurück10.27
4.Die andere Seite (Part 2)7.08
5.Zwiespalt7.28
6.Bleibe hier6.57
7.Die andere Seite (Part 3)10.41