Dienstag, 22. Oktober 2019

TOOL - FEAR INOCULUM

Sie - die Band TOOL - scheinen es den Experten - Anerkannten wie Selbsternannten sei mal dahingestellt - nicht einfach zu machen.
Oder wie soll man sich das zögerliche Erscheinen der ersten Rezensionen zu diesem Werk sonst erklären? Schreibt man eine Jubelarie, dann tut man das, was die da draußen erwarten.
Die riesig großen Erwartungen bis nach 13(!) Jahren und alljährlichen Fakedaten ob der nun doch endlich bevorstehenden Veröffentlichung ließen die Fans fast in dumpfe Depression versinken oder in Hysterie ausbrechen. Aber nun ist es da - endlich! Jetzt ist wieder alles gut, die Welt im Einklang - glaubt man.
Nun, der Rezensent, der dem Oevre dieser Truppe eh' etwas distanziert gegenübersteht, ist dennoch gespannt darauf, was ihn erwartet.
Alors, nach 2  Hördurchläufen - 1x im PKW, einmal über die nicht so schlechte PC-Anlage -  erfasst mich folgender Gedanke: KRAFTWERK ! KRAFTWERK? Ja, genau "Kraftwerk" nach dem berühmten RotenHütchen-Album. Tauscht man den Kraftwerkern ihre Computers gegen ein traditionelles Rockinstrumentarium aus und setzen wir voraus sie beherrschen dieses genau so gut wie ihre Elektronics. Was passiert? Genau das:
Auf "Fear Inucolum" machen Menschen Maschinenmusik(Musik?). Sie sind darauf programmiert, komplexe Rhythmen und vertrackte Taktierung(en) zusammen zu bringen. Klänge aus Synthies zur Auflockerung sind nicht verboten. Selbst die Schlaginstrumentierung scheint elektronisch erzeugt zu sein. Alles klingt perfekt - sehr perfekt- steril - kalt. Sogar die menschliche Stimme. Ja, gesungen wird analog. Dies ist zweifellos deutlich zu hören Es handelt sich um eine menschlich/männliche Stimme, immerhin.
Und dies alles zusammen wird sehr gepflegt und mit viel Professionalität produziert. Da sitzt jeder Ton und jeder Schlag, wo er hingehört. Klanglich/soundtechnisch sehr austariert -  und spannungslos.

Wo ist das Adrenalin, das z.B. bei HAKEN im Überfluss vorhanden zu sein scheint? Hallo TOOL, ihr seid 'ne ROCKband!! Die 3-4 Minuten Abgehteile sind verdammt wenig auf fast 90 Minuten Laufzeit.

"Das ist ein Grower" schallt es an mein Ohr. Also 7,10,15 mal hören sei angezeigt bei diesem Album. Warum/wieso soll ich mich einer Hirnwäsche aussetzen um Gefallen zu finden?
Die (W)wa(h)re Kunst braucht ihre Zeit um zu wirken. Erst recht, wenn man für ein Album mit fast 90Min. Klängen um die 70€ ausgegeben hat. Das muss sich doch lohnen...

Ich will nicht verkennen, dass ein eigenwilliger Sog von dieser Ton-Rhythmus-Installation ausgeht. Dieser Sog wird über Repititvität oder schlicht Wiederholung(en) erreicht, ein uraltes Instrument um beim Hörer eine bestimmte Wirkung zu erreichen. Originell ist das im Prog - nicht nur dort -  jedoch schon lange nicht mehr.

Mein Fazit ist kurz: blankpoliert glänzende, eiskalte, superklingende Langeweile.

Nein, ein TOOL-Versteher bin ich - noch - nicht. Ich höre im Moment aber auch nichts, was mich mit dieser Band verbinden könnte.Vlt. nochmal hören?

Die Band:

Danny Careydrums, synthesizer
Justin Chancellorbass guitar
Adam Jonesguitar
Maynard James Keenanvocals

Titel:

1.
Fear Inoculum10:20
2.Pneuma11:53
3.Litanie contre la peur2:14
4.Invincible12:44
5.Legion Inoculant3:09
6.Descending13:37
7.Culling Voices10:05
8.Chocolate Chip Trip4:48
9.7empest15:43
10.Mockingbeat2:05

Montag, 7. Oktober 2019

MUNGION - FERRIS WHEEL'S DAY

Ja, zugegeben, das ist  - zunächst -  kein Prog der reinen Lehre; ja, das ist eher Pop/Poprock der ganz feinen Art. Wobei: Sie - die Band -  selbst rechnet sich der Jamszene zu. Also mal wieder eine Spielwiese für den Klassifizierungsfetischisten unter uns. Das musikalische Material wurzelt in den '70ern, STEELY DAN kommt einem in den Sinn. Aber auch Stevie Wonder lugt in den funkigen Momenten um die Ecke. Wenn man's dem Hörer annäherungsweise beschreiben könnte, dann etwa so: Donald Fagen(Steely Dan) macht mit Stevie Wonder 'ne (Jam-)Session und lassen ein Band (Rekorder) mitlaufen
Es beginnt mit dem sonnigen "One night Stan" mit funky Bläsern und typischen Fagenharmonien und Arrangements. Der Bass slapt, die Bläser grooven, die Melodie geht sofort ins Ohr, es "wurmt" sich in's Gehör. Die Soli flocken in den Äther, alles leicht und locker. Ein netter Auftakt. Man spürt, da spielt eine Truppe auf, die Spaß hat und diesen transportieren.
Der 2.Titel wartet mit einem Hillbillystück auf, das sich gewaschen hat. Das klingt frisch und unverstaubt. Die Fiddle fiddelt, das Banjo twangt, das Honkytonkpiano kleppert und das Drumset wirbelt, dass es nicht still sitzen lässt. Immer noch kein Prog!!! Pop pur!
"Ferris Wheel's Day" beginnt nach Songwriterart und nach dem Intro hört der Proggie dann aufmerksam hin. Da einige Akkordschläge unterschiedlicher Höhe, die Orgel wird dominant, der Rhythmus geht in einen Ska über, es entwickelt sich zunächst ein Song mit Strophe und Refrain, der aber sowas von ins Ohr geht, dass man ihn so schnell nicht vergisst. Proggig wird's dann ab ca. Minute 4, da nach dem Refrain gruppig improvisiert wird unter Leitung des Piano, bis die Gitarre den Rhythmus jazzig umformt, der Einstieg in einen spielfreudigen Progteil, indem es auch kurz disharmonisch wird bis die Gitarre hymnisch wieder zum Refrain zurückführt. den die Keys übernehmen. Ein Gitarrensolo variiert den Refrain, die Stimmen führen den Song zu seinem Ende. Hier zeigen die Amerikaner, was sie draufhaben: das ist mehr als "nur" Pop.
Karibisch wird's dann im 4.Titel "Quemaste tu cabello", der mit einem gefühligen Pianomittelteil glänzen kann. Dem schließt sich ein Santanagitarrensolo an.
Mit "Basketball" kommt man wieder auf Fagen/Wonder zurück. Jazzig-swingend, von Bläsern unterstützt wird gekonnt die nicht einfache Melodie intoniert. Ein Pianosolo lockert auf, abgelöst durch ein Gitarrensolo im Stil eines Wes Montgomery (wer kennt den noch?). Es swingt und groovt.
Den nächsten Titel - ein Bonsaihörspiel -  überspringe ich, da ohne musikalische Relevanz.
"Herbert" stellt gleich zu Anfang einen veritablen Progtitel dar. Die Band nutzt Poppartikel hierzu und setzt sie mittels kurzen Breaks mit CARAVAN-Bezügen zu einem typischen Song zusammen. Auch Hardrock- oder Metalriffs  werden harmonisch mitkomponiert. Es entsteht ein Fluß von Themen, Rhythmen und Melodien dem zu folgen riesigen Spaß macht. Und dies ohne Düsternis, ohne Gitarrengeschretter, Grunz- und Noiseorgien. Das tut sooo gut!
"Windows" ist ein abwechslungsreicher Popsong, der in jedem Chart, der auf Qualität Wert legt, die Spitze stürmen sollte. Ein guter Refrain, abgelöst von gepflegten Soli (Keys/Piano und Gitarre), sorgt für eine musikalisch sorglose Atmosfäre. Auch Schlüsse können sie!
"Charterbox" führt auf eine ähnliche Spur: gepflegte Strophen- und Refrainmelodien werden durch kurze, knackige Improvisationen und Tempowechsel unterbrochen ohne den Fluss des Stückes zu stören. Der Bezug zu STEELY DAN ist nicht weit hergeholt. Aus deutschen Landen fallen mir auch LAKE ein zu deren Glanzzeiten.
Das Finale des Albums bildet SLOOB SYNDROME, das Funksouliges atmet, wieder von Bläsern verstärkt. Kurze vokale Breaks und Bläserlicks leiten ein Synthiesolo ein, das von einem bodenständigen Orgelinterludium abgelöst wird. Dann wird's jazzig unter Beteiligung von Gitarre und Bass. Ein ruhiges E-Piano führt zum ebensolchen Gitarrensolo, während dessen die Band Fahrt aufnimmt und zu einem jazzfunkigen Finale. Stark! Den Witz am Schluss - muss man den verstehen?  Wer will...
Eine überraschende Entdeckung ist MUNGION an der Schnittstelle Pop-Prog, wo sich nicht viele Bands tummeln. Auch weil sich nur wenige Hörer trauen, dort hinzuhören. Schade eigentlich, denn hier ließe sich ein neues Feld erschließen. MUNGION machen es nicht einfach, stricken mit viel Spielfreude an der Brücke zwischen den Genres (wobei sie den Begriff "Prog" nicht selbst benutzen). Es sei auch auf die bei bandcamp erschienen 2 Livemitschnitte verwiesen, die nachdrücklich diesen Brückenbau untermauern(!).

 https://mungion.bandcamp.com/album/ferris-wheels-day-off

Die Band:

Justin Reckamp - Guitar, Vocals 
Joe Re - Keys, Vocals 
Sean Caralon - Bass, Vocals 
Matt Kellen, Drums, Vocals 

Die Titel:

1. One Night Stan                        4:29
2. Makanda                                  4:59
3. Ferris Wheel’s Day Off            11:00
4. Quemaste Tu Cabello              6:27
5. Basketball                                4:36
6. Parn Kournt vs. Card Farm      2:02
7. Herbert                                    11:49 
8. Windows                                   5:48
9. Chatterbox                                5:48
10. Sloob Syndrome                    10:16