Montag, 7. Oktober 2019

MUNGION - FERRIS WHEEL'S DAY

Ja, zugegeben, das ist  - zunächst -  kein Prog der reinen Lehre; ja, das ist eher Pop/Poprock der ganz feinen Art. Wobei: Sie - die Band -  selbst rechnet sich der Jamszene zu. Also mal wieder eine Spielwiese für den Klassifizierungsfetischisten unter uns. Das musikalische Material wurzelt in den '70ern, STEELY DAN kommt einem in den Sinn. Aber auch Stevie Wonder lugt in den funkigen Momenten um die Ecke. Wenn man's dem Hörer annäherungsweise beschreiben könnte, dann etwa so: Donald Fagen(Steely Dan) macht mit Stevie Wonder 'ne (Jam-)Session und lassen ein Band (Rekorder) mitlaufen
Es beginnt mit dem sonnigen "One night Stan" mit funky Bläsern und typischen Fagenharmonien und Arrangements. Der Bass slapt, die Bläser grooven, die Melodie geht sofort ins Ohr, es "wurmt" sich in's Gehör. Die Soli flocken in den Äther, alles leicht und locker. Ein netter Auftakt. Man spürt, da spielt eine Truppe auf, die Spaß hat und diesen transportieren.
Der 2.Titel wartet mit einem Hillbillystück auf, das sich gewaschen hat. Das klingt frisch und unverstaubt. Die Fiddle fiddelt, das Banjo twangt, das Honkytonkpiano kleppert und das Drumset wirbelt, dass es nicht still sitzen lässt. Immer noch kein Prog!!! Pop pur!
"Ferris Wheel's Day" beginnt nach Songwriterart und nach dem Intro hört der Proggie dann aufmerksam hin. Da einige Akkordschläge unterschiedlicher Höhe, die Orgel wird dominant, der Rhythmus geht in einen Ska über, es entwickelt sich zunächst ein Song mit Strophe und Refrain, der aber sowas von ins Ohr geht, dass man ihn so schnell nicht vergisst. Proggig wird's dann ab ca. Minute 4, da nach dem Refrain gruppig improvisiert wird unter Leitung des Piano, bis die Gitarre den Rhythmus jazzig umformt, der Einstieg in einen spielfreudigen Progteil, indem es auch kurz disharmonisch wird bis die Gitarre hymnisch wieder zum Refrain zurückführt. den die Keys übernehmen. Ein Gitarrensolo variiert den Refrain, die Stimmen führen den Song zu seinem Ende. Hier zeigen die Amerikaner, was sie draufhaben: das ist mehr als "nur" Pop.
Karibisch wird's dann im 4.Titel "Quemaste tu cabello", der mit einem gefühligen Pianomittelteil glänzen kann. Dem schließt sich ein Santanagitarrensolo an.
Mit "Basketball" kommt man wieder auf Fagen/Wonder zurück. Jazzig-swingend, von Bläsern unterstützt wird gekonnt die nicht einfache Melodie intoniert. Ein Pianosolo lockert auf, abgelöst durch ein Gitarrensolo im Stil eines Wes Montgomery (wer kennt den noch?). Es swingt und groovt.
Den nächsten Titel - ein Bonsaihörspiel -  überspringe ich, da ohne musikalische Relevanz.
"Herbert" stellt gleich zu Anfang einen veritablen Progtitel dar. Die Band nutzt Poppartikel hierzu und setzt sie mittels kurzen Breaks mit CARAVAN-Bezügen zu einem typischen Song zusammen. Auch Hardrock- oder Metalriffs  werden harmonisch mitkomponiert. Es entsteht ein Fluß von Themen, Rhythmen und Melodien dem zu folgen riesigen Spaß macht. Und dies ohne Düsternis, ohne Gitarrengeschretter, Grunz- und Noiseorgien. Das tut sooo gut!
"Windows" ist ein abwechslungsreicher Popsong, der in jedem Chart, der auf Qualität Wert legt, die Spitze stürmen sollte. Ein guter Refrain, abgelöst von gepflegten Soli (Keys/Piano und Gitarre), sorgt für eine musikalisch sorglose Atmosfäre. Auch Schlüsse können sie!
"Charterbox" führt auf eine ähnliche Spur: gepflegte Strophen- und Refrainmelodien werden durch kurze, knackige Improvisationen und Tempowechsel unterbrochen ohne den Fluss des Stückes zu stören. Der Bezug zu STEELY DAN ist nicht weit hergeholt. Aus deutschen Landen fallen mir auch LAKE ein zu deren Glanzzeiten.
Das Finale des Albums bildet SLOOB SYNDROME, das Funksouliges atmet, wieder von Bläsern verstärkt. Kurze vokale Breaks und Bläserlicks leiten ein Synthiesolo ein, das von einem bodenständigen Orgelinterludium abgelöst wird. Dann wird's jazzig unter Beteiligung von Gitarre und Bass. Ein ruhiges E-Piano führt zum ebensolchen Gitarrensolo, während dessen die Band Fahrt aufnimmt und zu einem jazzfunkigen Finale. Stark! Den Witz am Schluss - muss man den verstehen?  Wer will...
Eine überraschende Entdeckung ist MUNGION an der Schnittstelle Pop-Prog, wo sich nicht viele Bands tummeln. Auch weil sich nur wenige Hörer trauen, dort hinzuhören. Schade eigentlich, denn hier ließe sich ein neues Feld erschließen. MUNGION machen es nicht einfach, stricken mit viel Spielfreude an der Brücke zwischen den Genres (wobei sie den Begriff "Prog" nicht selbst benutzen). Es sei auch auf die bei bandcamp erschienen 2 Livemitschnitte verwiesen, die nachdrücklich diesen Brückenbau untermauern(!).

 https://mungion.bandcamp.com/album/ferris-wheels-day-off

Die Band:

Justin Reckamp - Guitar, Vocals 
Joe Re - Keys, Vocals 
Sean Caralon - Bass, Vocals 
Matt Kellen, Drums, Vocals 

Die Titel:

1. One Night Stan                        4:29
2. Makanda                                  4:59
3. Ferris Wheel’s Day Off            11:00
4. Quemaste Tu Cabello              6:27
5. Basketball                                4:36
6. Parn Kournt vs. Card Farm      2:02
7. Herbert                                    11:49 
8. Windows                                   5:48
9. Chatterbox                                5:48
10. Sloob Syndrome                    10:16

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