Montag, 10. Oktober 2022

CHICAGO V

 

Nachdem die ersten Alben der Band Doppelalben waren und mit dem Livealbum IV sogar ein Vinylquartett in die Läden kam, beschied man sich mit Chicago V zumindest auf ein 1-LPalbum. Allerdings fütterte das Marketing die ersten Auflagen mit 2 Bandposters auf. Das Holzimitatcover vermittelte zusätzliches Unikatflair. So war das Album zuallererst ein Blickfänger in den Läden. Die ausgekoppelte Hitsingle "Saturday in the park" förderte den Umsatz. 

Vor dem Konzertreigen in der Carnegie Hall schon komplett eingespielt(!) wurde "V" im folgenden Sommer des Jahres 1972 geschnitten und veröffentlicht nachdem das schon erwähnte "Saturday..." als Single ausgekoppelt war.  "Saturday..." stammt wie andere 7 Songs der 10 Titel aus der Feder von Robert Lamm, der damit nachwieß, welch profunder Songwriter er war/ist. 

Die Songs sind sehr abwechslungsreich, berühren einige Genres wie Protoprog ("Hit by Varese"), das folgende "All is well" hat Westcoast in sich,"Dialogue" startet leicht rockpoppig im ersten Teil um dann im 2.Teil sich in eine Hymne zu steigern mit gospeligem Gruppengesang und eingängigem Bläsersatz - Vorsicht - Suchtgefahr! Davor jedoch liegt "Now that you've gone", ein funky Titel von James Pankow auch wieder mit scharfem Bläsersatz und Mehrsatzgesang, zweier Komponenten die Chicago wie kaum eine andere Band zu verbinden vermochte. Eines der Hauptkennzeichen der Band seinerzeit. James Pankow zeichnet übrigens als verantwortlich für die Bläsersätze der Band.

"While the city sleeps" eröffnet die 2.Vinylseite, mit schwer rockender Einleitung, die immer wieder den Fluss des Stückes verschleppt und so aus dem Wechsel der Tempi seine Spannung zieht wie auch das Solo von T.Kath, der sich ansonsten auf dem Album zurückhält. Mit dem von ihm geschriebenen"Alma Mater" bekommt er dennoch noch seinen Auftritt am Ende des Albums (Vinylversion). 

Nach der schlafenden City geht's ab in den Park und zwar on saturday. "Saturday in the park" war einer der größten Hits der Truppe und kann man auch heute noch hören. Im Gegensatz zu den im Dudelfunk ständig wiederholten Schmuseschmonzetten, auf die die Band in den späten 80er, 90er-Jahren und noch heute reduziert wurde bzw. wird. Diese Einordnung hat die Band m.E. nicht verdient und stellt ein "Verdienst" des zunehmenden Einflusses v. P.Cetera in der Band dar. Zu Beobachten vor allem nach dem tragischen Ende von Terry Kath 1978.

Funky geht's weiter mit "State of the union", das auch wieder knackige Bläserriffs vorhält und ein schönes Trompetensolo v. Lee Loughnane. "Goodbye" ist aber noch nicht das Ende des Albums. Leicht swingend lässt der Song auch Jazzfans aufhorchen. Auf einen latinmäßigen Rhythmusboden gibt es wieder ein Trompetensolo. Danach ein Break mit einem Gesangspart, der nochmal die ganze Qualität der Musiker aufscheinen lässt. Als Abschluss darf dann in "Alma Mater" T.Kath seine Akustische hervorholen und seine raue Stimme damit begleiten. Robert Lamm tut am Piano das Seinige  dazu. Ein stimmungsvoller Abschluss eines großartigen Werkes des damaligen Bläserrocks. 

Die Songs sind kompakt komponiert und eingespielt. Da wirkt jeder Ton richtig platziert. Keiner ist zuviel und es gibt keinerlei Leerlauf. Ein zeitloses Rockalbum wie aus einem Guss ohne Fehl und Tadel.  

Auf der CD-Ausgabe von gibt es noch 3 Zugaben: 1) "A Song for Richard and friends", das schon in Carnegie Hall live gespielt wurde. Ein Stück, das Richard Nixon und seinen "Freunden" des Vietnamkrieges gewidmet ist. Entsprechend lärmend kommt der Blues auch rüber.

2.Zugabe ist der "Missisippi Delta City Blues", das später auf Chicago XI nochmals erschien und T.Kath in den Mittelpunkt stellt.

3.Zugabe ist die Singleversion von "Dialogue".


Sonntag, 2. Oktober 2022

Chicago at Carnegie Hall (Chicago IV)

Auf ihrer Tournee 1971 zu ihrem Album "Chicago III"        buchte das Management die geschichtsträchtige Carnegie Hall in New York für 6 Tage im April vom 5.-10. Sie spielten an 6 Tagen 8 Shows, wie man das nannte, also 8 Gigs, davon 2 Matinees. D.h sie hatten an 2 Tagen 2 Gigs. Wie man lesen kann waren alle Gigs sold out! Was wiederum uns heute sagt, dass sie dunnemals  eine Art Hochzeit bzw. einen Gipfel ihrer Karriere erleben durften. Dies nahm man auch zum Anlass, alle Gigs aufzunehmen.

Aus diesen Aufnahmen bastelten Columbia Records eine opulente Box aus 4 LPs, einem Riesenposter, das die Band im Livemodus zeigt und mit dem man eine ganze Wand eines Jugendzimmers zuhängen konnte. Dazu ein kleineres Bandposter und ein Photobuklett mit Livebildern und dem Text ihres bedeutungsschwangeren Titels "It better end soon".

So stand die Box ab ca.Oktober 1971 in den Plattenläden. Auch im Plattenladen meiner Wahl. Also musste die erste Ausbildungsvergütung damals herhalten um für 32 DM(!) damals - oder waren's doch 36 DM? - dieses Objekt der Begierde in die heimische Stube zu schleppen. 

Der Einstieg in die CarnegieHall zieht sich etwas in die Länge. Man lässt den Hörer teilhaben am Einstimmen der Instrumente, gefolgt von einer knappen Ansage und dann legen sie los mit "In the country". Aber nicht so am 5.April 1971 beim tatsächlichen Start der Woche. Dort eröffneten sie die Konzertreihe mit "Someday (August 29.1968)", das in der Boxausgabe ganz fehlt. Es taucht erst wieder auf in der zum 50.Jahr der Konzertreihe erschienenen CD-Box. Lee Laughnane (trumpet,perc) und sein Ingenieur Tim Jessup verbrachten ca. 1 Jahr mit all den Bändern dieser Konzertwoche und brachten die Konserven in anhörbare Form. Daraus wurde eine 16(!)CD-Box, die im September 2021 veröffentlicht wurde. Damit lässt sich die ganze Woche akustisch chronologisch nachvollziehen. Kann man machen, muss man aber nicht.

 Wo Chicago draufsteht, ist auch Chicago drinnen. Dies gilt vor allem für die Carnegie-Box. Alles, was man bisher auf den 3 Alben an bläserintegriertem Rock geboten bekam breitet die Band mit viel Spielfreude (alle!) , Energie (Terry Kath!) und Souveränität (Robert Lamm!) vor dem Publikum aus. Kernstücke der Auftritte sind durchgängig die bis dato erschienen erfolgreichen Singles wie "Does anybody really know what time it is" o. das unkaputtbare Cover "I'm a man". Als wahre Highlights entwickeln sich das ruppig-funkige "Sing a mean time kid", das die Truppe schon in proggige Räume spähen lässt wie auch das bedeutungsschwangere "It better end soon" mit seinen 5 "movements". In diese Kathegorie gehört auch das "Ballet for a girl in Buchannon" mit dem Hit "Make me smile".

Ein persönliches Highlight ist der Song "I don't want your money", das dermaßen rockt, dass dabei niemand ruhig sitzen kann. Auch der Schrei nach Freiheit "Free" ist ein Gänsehautmoment.

Teile der Band waren mit dem Ergebnis der Aufnahmen nicht allzu zufrieden und hätten am Liebsten eine Veröffentlichung verhindert (Peter Cetera/James Pankow). Sie hielten die Sounds für zu dumpf, hallig und trötig (Bläser). Aus heutiger Sicht darf die interessierte Rockwelt froh und glücklich sein, dass die Beiden sich nicht durchsetzen konnten.

So liegt hier ein Dokument der Rockmusik vom Beginn der '70er Jahre vor, das überzeugend aufzeigt, was möglich war und umgesetzt wurde an Kreativität, Spielfreude und einfach Spaß am Rock'n'Roll der Zeit.

Der Mix aus Rock;Funk,Pop und Jazz lässt sich auch 50 Jahre nach dem Event sehr gut hören und das Eine/Andere noch bzw. wiederentdecken. Ein Klassiker des Rock sollte nicht vergessen werden.