Sonntag, 2. Oktober 2022

Chicago at Carnegie Hall (Chicago IV)

Auf ihrer Tournee 1971 zu ihrem Album "Chicago III"        buchte das Management die geschichtsträchtige Carnegie Hall in New York für 6 Tage im April vom 5.-10. Sie spielten an 6 Tagen 8 Shows, wie man das nannte, also 8 Gigs, davon 2 Matinees. D.h sie hatten an 2 Tagen 2 Gigs. Wie man lesen kann waren alle Gigs sold out! Was wiederum uns heute sagt, dass sie dunnemals  eine Art Hochzeit bzw. einen Gipfel ihrer Karriere erleben durften. Dies nahm man auch zum Anlass, alle Gigs aufzunehmen.

Aus diesen Aufnahmen bastelten Columbia Records eine opulente Box aus 4 LPs, einem Riesenposter, das die Band im Livemodus zeigt und mit dem man eine ganze Wand eines Jugendzimmers zuhängen konnte. Dazu ein kleineres Bandposter und ein Photobuklett mit Livebildern und dem Text ihres bedeutungsschwangeren Titels "It better end soon".

So stand die Box ab ca.Oktober 1971 in den Plattenläden. Auch im Plattenladen meiner Wahl. Also musste die erste Ausbildungsvergütung damals herhalten um für 32 DM(!) damals - oder waren's doch 36 DM? - dieses Objekt der Begierde in die heimische Stube zu schleppen. 

Der Einstieg in die CarnegieHall zieht sich etwas in die Länge. Man lässt den Hörer teilhaben am Einstimmen der Instrumente, gefolgt von einer knappen Ansage und dann legen sie los mit "In the country". Aber nicht so am 5.April 1971 beim tatsächlichen Start der Woche. Dort eröffneten sie die Konzertreihe mit "Someday (August 29.1968)", das in der Boxausgabe ganz fehlt. Es taucht erst wieder auf in der zum 50.Jahr der Konzertreihe erschienenen CD-Box. Lee Laughnane (trumpet,perc) und sein Ingenieur Tim Jessup verbrachten ca. 1 Jahr mit all den Bändern dieser Konzertwoche und brachten die Konserven in anhörbare Form. Daraus wurde eine 16(!)CD-Box, die im September 2021 veröffentlicht wurde. Damit lässt sich die ganze Woche akustisch chronologisch nachvollziehen. Kann man machen, muss man aber nicht.

 Wo Chicago draufsteht, ist auch Chicago drinnen. Dies gilt vor allem für die Carnegie-Box. Alles, was man bisher auf den 3 Alben an bläserintegriertem Rock geboten bekam breitet die Band mit viel Spielfreude (alle!) , Energie (Terry Kath!) und Souveränität (Robert Lamm!) vor dem Publikum aus. Kernstücke der Auftritte sind durchgängig die bis dato erschienen erfolgreichen Singles wie "Does anybody really know what time it is" o. das unkaputtbare Cover "I'm a man". Als wahre Highlights entwickeln sich das ruppig-funkige "Sing a mean time kid", das die Truppe schon in proggige Räume spähen lässt wie auch das bedeutungsschwangere "It better end soon" mit seinen 5 "movements". In diese Kathegorie gehört auch das "Ballet for a girl in Buchannon" mit dem Hit "Make me smile".

Ein persönliches Highlight ist der Song "I don't want your money", das dermaßen rockt, dass dabei niemand ruhig sitzen kann. Auch der Schrei nach Freiheit "Free" ist ein Gänsehautmoment.

Teile der Band waren mit dem Ergebnis der Aufnahmen nicht allzu zufrieden und hätten am Liebsten eine Veröffentlichung verhindert (Peter Cetera/James Pankow). Sie hielten die Sounds für zu dumpf, hallig und trötig (Bläser). Aus heutiger Sicht darf die interessierte Rockwelt froh und glücklich sein, dass die Beiden sich nicht durchsetzen konnten.

So liegt hier ein Dokument der Rockmusik vom Beginn der '70er Jahre vor, das überzeugend aufzeigt, was möglich war und umgesetzt wurde an Kreativität, Spielfreude und einfach Spaß am Rock'n'Roll der Zeit.

Der Mix aus Rock;Funk,Pop und Jazz lässt sich auch 50 Jahre nach dem Event sehr gut hören und das Eine/Andere noch bzw. wiederentdecken. Ein Klassiker des Rock sollte nicht vergessen werden.

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